„Keine Frau wird befördert, weil sie fleißig ist.“
Wiebke Köhler nimmt kein Blatt vor den Mund, weder im Arbeitsalltag noch in ihrem Buch. Darin beschreibt sie nämlich detailliert die verschiedenen Machtspiele, die oftmals vorherrschen, welche von Frauen aber gar nicht richtig wahrgenommen werden. „Ein großer Fehler!“, ist sich Köhler sicher.
Als erfolgreiche Beraterin und Headhunterin schaffte es Köhler bis in den Personalvorstand von AXA Deutschland, eines der größten Versicherungsunternehmen in Deutschland. Doch kein Jahr später verließ sie das Unternehmen, gründete ihr eigenes Unternehmen und schrieb ein Buch für Frauen über Machtspiele im Management.
Im Interview gibt uns Wiebke Köhler einen Einblick in ihre wichtigsten Karriereentscheidungen, nennt Beispiele für Machtspiele im Büro und gibt Tipps für die richtige Arbeitgeberwahl.
FiF: Beraterin, Headhunterin, ehemalige Personalvorständin bei AXA. Frau Köhler, schildern Sie uns bitte Ihren Lebenslauf.
Nach dem BWL-Studium begann ich meinen beruflichen Weg in der Strategieberatung Roland Berger, wo ich Fluggesellschaften, Flughäfen und Logistik-Unternehmen mit Strategien, Kostensenkungsprogrammen und Marketingkonzepten unterstützte. Nach fünf Jahren wechselte ich zur neu gegründeten Swiss Air Lines als weltweite Marketing- und CRM-Verantwortliche und begleitete den Markenaufbau sowie die Kundenservicestrategie. Einige Jahre später wechselte ich zurück in die Strategieberatung bei McKinsey & Co. als verantwortliche Leiterin für das Thema CRM.
In 2010 verließ ich die Unternehmensberatung und stieg in den Bereich Executive Search ein. Als Headhunterin besetzte ich die nächsten sieben Jahr Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bei weltweiten Konzernen und begleitete Unternehmen bei ihren kulturellen Transformationen. Im Januar 2018 wurde ich Vorständin People Experience (CHRO) bei der AXA Konzern AG. Seit meinem Verlassen im November 2018 bin ich Unternehmerin und Autorin und habe eine eigene Unternehmens- und Strategieberatung gegründet.
FiF: Wie haben Sie es geschafft so erfolgreich die Karriereleiter aufzusteigen? Was waren rückwirkend Ihre besten Entscheidungen oder Charaktereigenschaften?
Für mich war – fachlich gesehen – die Kombination aus Strategie- und Personalberatung wertvoll: inhaltliches Arbeiten, das Erarbeiten von Lösungen im Team, hohe Fachlichkeit und Methodenkompetenz –daneben aber auch ein Blick für die Führungskompetenzen einzelner Menschen sowie deren Potentiale, Motive und Passung für bestimmte kulturelle Umfelder. Neben einer guten Ausbildung waren ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft, Analytik und Ergebnisorientierung sowie ein fortlaufender eigener Lernprozess entscheidend für meine Karriere. Je weiter ich in meiner Karriere kam, umso mehr spielten Stakeholder Management, Führungskompetenz und vernetztes Arbeiten eine Rolle. Auch entscheidend waren loyale und erfahrene Mentoren, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen und mich bis heute begleiten.
FiF: In Ihrem Buch „Schach der Dame! Was Frau (und Mann) über Machtspiele im Management wissen sollte“ erläutern Sie Machtspiele im Management. Wie sehen diese aus, haben Sie Beispiele?
Ich konnte in den über zwanzig Jahren meiner Laufbahn immer wieder beobachten, wie gängig Konzernpolitik und Intrigen in größeren Unternehmensstrukturen sind und wie sehr diese den Alltag bestimmen. Auch konnte ich immer wieder beobachten, dass Frauen sich damit ungleich schwerer tun als Männer – obwohl sowohl Männer als auch Frauen ihnen gleichermaßen ausgesetzt sind.
Ich habe mich gefragt, wieso dies so ist und bin zu dem Schluss gekommen, dass Frauen häufig gar nicht wissen, welches Spiel gerade gespielt wird und welche Spielregeln gelten. Da unsere Wirtschaft immer noch sehr männerdominiert ist, sind die Regeln des Spiels natürlich auch männlich und von daher nicht für jede Frau sofort „intuitiv“ einleuchtend. Mit dem Buch wollte ich in erster Linie Frauen ermöglichen, besser einordnen zu können, welches Spiel in welcher Situation gerade gespielt wird und sie mit einigen Spielregeln vertrauter machen. Denn jede Frau sollte Karriere machen, wenn sie gut ist und das auch möchte. Dafür sollte und muss sie aber genau wissen, wie man Machtspiele erkennt und mit ihnen umgeht.
Machtspiele kommen in vielen Facetten daher: auf einmal fehlt die vorher zugesagte Unterstützung oder der Gesprächspartner zeigt keinerlei Interesse daran, eine inhaltliche Lösung zu finden oder Ihnen begegnet auf einmal ein Gerücht über Sie selbst, das Sie im stärksten Maß persönlich diskreditieren soll. Es kommt auch vor, dass Ihre Mitarbeiter Sie anlügen, mit manipulierten Informationen versorgen oder Ihnen Informationen vorenthalten – dafür aber Ihren internen Gegenspieler damit versorgen. Das sind nur einige Beispiele, wie sich Machtspiele äußern.
FiF: Warum muss Frau diese Machtspiele kennen?
Die Frauen, die ich kenne, sind alle hochqualifiziert, sehr motiviert, mit hohem Engagement bei der Sache und an echten Lösungen interessiert. Die Realität ist aber, dass keine Frau je befördert wurde, weil sie fleißig war. Statt also fleißig die zahlreichen Probleme anzugehen und zu lösen, sollten Frauen daneben auch sehr viel Zeit und Bewusstwerdung in die Tatsache investieren, dass es Raffinesse, Politikerdenken und Taktieren benötigt, um weiter aufzusteigen.
Frauen glauben häufig, dass die Inhalte zählen. Das tun sie – und zwar auf den unteren Ebenen im Management. Je höher Sie aufsteigen, umso mehr zählt, wie gut Sie Ihre Ideen und Konzepte intern verkaufen können und wie Sie dafür eine Mehrheit finden, die Sie dabei unterstützt. Das unterschätzen Frauen viel zu häufig. Um Mehrheiten zu finden und andere zur Zusammenarbeit zu gewinnen, die nicht im eigenen Einflussbereich angesiedelt sind, erfordert es ein Verständnis über die Wirksamkeit von Machtspielen. Kurz gesagt: Wenn man mit einem Kollegen zusammensitzt und man sich inhaltlich nicht auf eine Marschroute einigen kann, sollte man sich fragen: Geht es dem Kollegen überhaupt um eine inhaltliche Lösung? Oder will er ein Machtspiel spielen, um Sie auszubooten oder manipulieren?
FiF: Vor allem Frauen meiden gerne Konflikte und Machtspiele.Welche Möglichkeiten haben Führungsfrauen, um zukünftig ein besseres Arbeitsklima zu schaffen?
Zunächst einmal damit, sich seinen Arbeitgeber genau auszusuchen. Mit der Wahl für einen hierarchisch geführten Konzern wird man eine andere Kultur der Zusammenarbeit vorfinden als zum Beispiel im Start-up. Entscheidend dabei ist, wie viele Mitarbeiter und Führungskräfte in einem bestehenden Unternehmen bereits ein modernes Arbeitsklima vorleben (nicht nur darüber reden!). Denn das definiert für die Einzelne, welche Freiheitsgrade für die eigene Arbeit gewährt wird, welche Entscheidungen und auch wie sehr Verantwortung geteilt werden, wie cross-funktional nach Lösungen gesucht wird.
Jede Frau sollte bei ihrer Auswahl des Arbeitgebers genau prüfen, welches Klima derzeit vorherrscht und in welchem Umfeld sie arbeiten möchte. Die Wahrscheinlichkeit, selber etwas verändern zu können, steigt mit der Anzahl an Mitstreitern, männlichen wie weiblichen, die ebenfalls eine moderne Kultur und eine vertrauensvolle, angstfreie Arbeitsumgebung umsetzen möchten. Das sollte natürlich keine davon abhalten, selbst für eine konstruktive, vertrauensvolle Arbeitskultur im eigenen Team zu sorgen. Eine nachhaltige Veränderung auf Unternehmensebene wird jedoch nur gelingen, wenn es eine kritische Masse an Unterstützern gibt. Zuletzt spielt uns die Digitalisierung mit ihren modernen Prozessen und der Innovationsgeschwindigkeit in die Hände: hier wird immer mehr ein Führungsstil erwartet, den Frauen häufig bereits vorleben – vernetztes Arbeiten, ständiges Austauschen, Arbeiten im Team, kollegiales Zusammenarbeiten.
FiF: Welches Seminar hilft Ihrer Meinung nach jungen Frauen am besten, um erfolgreich die Karriereleiter hinaufzuklettern?
Am Anfang der Karriere zählen Fach- und Methodenkompetenz, sodass ich jeder Frau raten würde, sich in ihrem jeweiligen Fachgebiet so gut wie möglich weiterzubilden. Je höher man aufsteigt, umso mehr zählen Führungskompetenzen wie Teamführung des eigenen Teams genauso wie Beeinflussungs- und Gewinnungsstrategien von Verbündeten außerhalb des eigenen Teams für eigene Ideen und Konzepte, daneben Stakeholder Management, Präsentationstechniken und strategisches Verständnis über Märkte, Kunden und neue Technologien. Und zuletzt natürlich eine Art „Intrigen-Sensor“, das heißt ein Bewusstsein dafür, wann, wo und von wem Machtspiele gespielt werden sowie ein Repertoire an eigenen Verhaltensweisen und Spielvariationen.
FiF: Haben Sie Routinen, die Sie als Faktoren für einen effektiven und erfolgreichen Arbeitsalltag empfinden?
Ich stehe gerne früh auf. Der Morgen ist typischerweise ruhig, das Handy ist ausgeschaltet, Emails kommen noch keine rein. Das ist für mich die beste Zeit, den Tag zu durchdenken und Prioritäten zusetzen. Auch nutze ich die ersten zwei Stunden des Tages für strategische, konzeptionelle Arbeiten. Im operativen Geschehen des Tages ist dafür später keine Zeit. Abends reserviere ich mir Zeit für mich – entweder um mit Sport den Geist frei zu pusten oder um mit Freunden zu entspannen.
FiF: Welches Buch, außer Ihr eigenes, haben Sie bisher am meisten verschenkt?
Den Klassiker von Prof. Dr. Gertrud Höhler „Spielregeln für Sieger“. Zwar schon über zwanzig Jahre alt, aber immer noch mit ihren Tipps und Ratschlägen aktuell.
FiF: Haben Sie ein Produkt/Buch/Hilfsmittel, welches Ihren Arbeitsalltag deutlich erleichtert hat und Sie jeder Kollegin empfehlen würden?
Am ehesten noch die mobile Ladestation, mit der ich Handy, iPad und Laptop unterwegs stets wieder aufladen kann. Strom ist eine wertvolle Ressource geworden und auf Reisen selten aus der Steckdose zu haben.