Wie geht Selbstführung und ist es auch bei uns möglich?
Dieses Buch richtet sich an alle (angehende) Führungspersonen, die die aktuell vorherrschenden Hierarchiestrukturen in Unternehmen revolutionär verändern oder zumindestens verbessern wollen. Alle anderen, die mit den klaren Strukturen zufrieden sind, an deren Spitze der Chef alle Entscheidungen fällt und die Aufgaben an die Mitarbeiter an der Basis delegiert, können sich anderen Beiträgen widmen.
Bestseller für Selbstführung
Denn „Reinventing Organizations“ gilt zurecht als Fachliteratur No. 1 wenn es um die Unternehmensstruktur der Selbstführung geht. Das bedeutet, dass Firmen keine Hierarchie implementiert haben und Entscheidungen von allen beteiligten Mitarbeitern getroffen werden. Leitende Positionen gibt es gar nicht oder aber die Personen wurden von der Belegschaft für die jeweilige Stelle ernannt. Dadurch werden auch sensible Themen, wie Portfolio des Unternehmens, Marktausrichtung aber auch Gehälter und Neueinstellungen von den Mitarbeitern und nicht einem Chef oder dem Management entschieden.
Hierarchie vs. Selbstführung
Für die meisten klingt diese Art der Unternehmensführung sehr paradox. Sind wir doch die klassische Hierarchiepyramide gewohnt, an deren Spitze der CEO die wichtigsten Entscheidungen trifft und diese innerhalb der Pyramide hinunter an das mittlere Management und schließlich zu den Arbeiter(innen) delegiert. Dort werden sie dann ausgeführt, ungeachtet davon, ob sie als sinnvoll betrachtet werden oder nicht. Es wird davon ausgegangen, dass nur der Chef die Gesamtsituation im Blick hat und deshalb Entscheidungen treffen kann. Der einfache Arbeiter ist dazu nicht in der Lage bzw. würde falsche Unternehmensentscheidungen treffen, weshalb diese Art der Hierarchie akzeptiert und nicht in Frage gestellt wird. Und auch wir, (angehende) Frauen in Führungspositionen, denken in diesen Strukturen und wollen in der genannten Hierarchiepyramide aufsteigen.
Alle halbe Jahre lesen oder hören wir dann allerdings doch von den ominösen Firmen, die sich mittels Selbstführung organisieren. „Jeder wählt sein Gehalt selbst“ oder „Die transparente Firma“ lauten dann gerne einige der Überschriften. Die Gründer dieser Unternehmen berichten dann, wie die Belegschaft in einzelnen Teams ihren Arbeitsalltag bewältigt aber auch grundlegende Entscheidungen trifft. In diesen Beiträgen wird weiterhin berichtet, dass sich die Leistung der Mitarbeiter durch die neue Art der Unternehmensführung positiv verändert hat. Denn Menschen, die selbst mitbestimmen dürfen, sind nicht nur glücklicher sondern auch produktiver, wie Studien belegen.
Warum nicht mal mit Selbstführung beschäftigen?
Es scheint also, dass man sich mit dem Thema „selbstführende Unternehmen“ mehr beschäftigen sollte. Aber wie reagieren wir, wenn wir ein derartigen Bericht lesen? Was ist die typische Reaktion vieler Führungskräfte? Die Standardantwort ist nahezu im Wortlaut immer dieselbe. „Bei uns geht so etwas nicht!“ war wahrscheinlich auch Ihr Gedanke, stimmt´s?
Frederic Laloux nimmt in seinem Buch „Reinventing Organizations“ genau diesen Gedanken auf und zeigt schrittweise, dass selbstführende Unternehmen unabhängig von Größe, Branche, Herkunft etc. möglich sind. Um dies praktisch zu veranschaulichen, dienen verschiedene Firmen als Beispiel. Sie helfen um die einzelnen internen Prozesse zu verdeutlichen.
Entwicklung = Wohlstand
Zunächst erläutert Laloux die Entwicklung der Organisationen seit frühester Evolution. Vom Leben in kleineren Familiengruppen über die Gründung von Imperien hin zu landwirtschaftlicher Versorgung und schließlich der Industrialisierung. Die menschliche Entwicklung hat bereits einige Veränderungen in ihrer Organisation durchlebt und immer ging dies mit einer Verbesserung des Wohlstands einher.
Prozessdarstellung bei Selbstführung
Im zweiten Kapitel beschreibt der Autor daraufhin, wie die Arbeitsprozesse in selbstführenden Organisationen aussehen. Viele Kritiker dieser Unternehmensform können sich oftmals nicht vorstellen, wie Entscheidungen getroffen werden oder hegen das Vorurteil, dass in selbstführenden Unternehmen fast ausschließlich diskutiert wird. Diese und viele weitere kritischen Sichtweisen können widerlegt werden, in dem Laloux den genauen Arbeitsprozess detailliert erläutert.
So erhält der Leser einen Einblick in den Ablauf der Entscheidungsfindung, bekommt aufgezeigt, wie die Unternehmen mit Konflikten umgehen und erfährt, wie die einzelnen Tätigkeiten auf die Mitarbeiter aufgeteilt werden. Zur besseren Veranschaulichung werden diese Prozesse immer in Form von Praxisbeispielen anhand der im Buch genannten Firmen dargestellt. Dadurch wird deutlich, dass der Inhalt nicht als Theorie abgetan werden kann, welche in der Praxis nicht umsetzbar ist. Denn alle Prozesse werden tagtäglich von verschiedenen Organisationen in den unterschiedlichsten Branchen durchgeführt.
Neben den oben genannten werden auch viele weitere Abläufe dargestellt. Dazu gehören Themen wie Neueinstellung, Gehaltsfindung, Verpflichtungen, Kündigungen und Entlassungen sowie viele weitere. (Eine genaue Auflistung findest du im Inhaltsverzeichnis. Schaue dafür hier ins Buch). Dadurch erhält der Leser von Seite zu Seite einen immer besseren Einblick in selbstführende Unternehmen. Gleichzeitig lichten sich dadurch die Zweifel an dieser Art der Unternehmensführung.
Jeder kann Selbstführung vorantreiben
Im letzten großen Kapitel geht Frederic Laloux dann auf die notwendigen Bedingungen für eine Umsetzung hin zur Selbstführung ein. Er nennt die Abläufe, wie ein bereits bestehendes Unternehmen oder ein neu gegründetes den Weg schaffen kann. Hier ist ein entscheidender Punkt zu nennen: Neben der radikalen Veränderung für ein Unternehmen, gibt es auch Tipps für Leser, die nicht sofort den großen Umbruch durchführen wollen oder können. Es stellt sich die Frage: Was können einzelne Mitarbeiter oder Abteilungsleiter tun, um Selbstführung inklusive der positiven Nebeneffekte zu fördern? In welchem Umfang ist es für den Einzelnen überhaupt möglich oder steht und fällt alles mit der (fehlenden) Einstellung des Chefs?
Ergebnisse sprechen für Selbstführung
Vielleicht als letzte Überzeugungsarbeit werden schließlich die Ergebnisse und Zahlen der Firmen, die als Praxisbeispiele fungierten, aufgezeigt. Dabei wird auch vor den Resultaten in Jahren der Wirtschaftskrise nicht Halt gemacht. Es soll noch einmal verdeutlichen, dass Unternehmen, in denen die Mitarbeiter und nicht nur der Chef die Entscheidungen treffen, nicht weniger erfolgreich sind. Natürlich werden auch dort Fehler gemacht, aber nicht mehr oder gravierendere. Verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die meisten Manager nicht glauben, dass ihre Belegschaft Entscheidungen im Sinne der Firma treffen kann.
Fazit
Im Buch „Reinventing Organizations“ wird deutlich, dass Selbstführung von Unternehmen keine Idee von erfolglosen Künstlern oder Weltverbesserern sind, die als Spinner abgetan werden können. Nein, dieses Buch zeigt, dass und warum man sich mit dem Thema besser heute als morgen beschäftigen sollte. Dabei muss es nicht sofort der radikale Umbruch sein. Es gibt auch Möglichkeiten im Kleinen zu beginnen um so die Missstände und Kritikpunkte der klassischen Hierarchiepyramide zu beseitigen. Denn die Ergebnisse und die Zufriedenheit der Mitarbeiter beweisen, dass Selbstführung in Unternehmen viele positive Effekte mit sich bringen.
Das Buch ist mit 39,80 Euro relativ teuer, deshalb empfehle ich es auszuleihen. Nahezu alle Universitätsbibliotheken führen Reinventing Organizations, teilweise auch in mehrfacher Ausführung. (siehe „Der einfachste Weg zur Fachliteratur„)
Viel Spaß beim Lesen!